Aschingerhaus Oberderdingen
Zu Zweit lautet der Titel der aktuellen Ausstellung im Aschingerhaus in Oberderdingen. Zu Zweit sind ganz offensichtlich die beiden Künstlerinnen Ingrid Brütsch und Sibylle Burrer. Bei genauerer Betrachtung geht der Titel jedoch weit darüber hinaus. Die Besucher der umfangreichen Präsentation sind eingeladen sich mit den verschiedenartigen Arbeiten auf spannende Dialoge, auf Zwiegespräche einzulassen. Jede der Künstlerinnen offenbart dabei zwei ausdrucksvolle Facetten ihres Schaffens.
Ingrid Brütsch ist Malerin und zeigt außergewöhnliche Arbeiten auf Papier. Die zum einen von Ihr mit zarter, oft lasierender Farbigkeit gefassten Bögen unterschiedlichster Struktur, werden aufgebrochen, gerissen und zu einem völlig neuen Gefüge zusammengefasst. In einer intensiven Auseinandersetzung entwickeln sich Schicht für Schicht neue Kompositionen, die die vielfältigsten Assoziationen an freie Landschaften hervorrufen können. Durch die gewählten Hoch- oder Querformate, die korrespondierenden Farben entstehen so Spannungen zwischen enormer Breite und verdichteter Enge, ebenso wie zwischen scheinbar sommerlicher Wärme oder der kühlen Schroffheit steiler Gipfel. Die Werkstücke weisen eine eindringliche Auseinandersetzung mit der Haptik des Materials auf und erzeugen so ein Wechselspiel zwischen Mikro- und Makrokosmos. Auch in der zweiten Serie Ingrid Brütschs ist die Haptik von besonderer Bedeutung. Die linear gehaltenen Werke sind ebenfalls auf Papier gearbeitet und erzeugen trotz ihrer reichen Farbpalette einen deutlichen Grundton. Anregungen aus der Natur, die genaue Beobachtung hervortretender Details bleiben in den abstrakten Werken spürbar und lassen dennoch vielfältige Betrachtungsweisen offen.
Im wahrsten Sinne des Wortes entwickeln sich die plastischen Arbeiten der Bildhauerin Sibylle Burrer vor den Augen des Betrachters. Intensiv setzt sich die Künstlerin mit der Unterschiedlichkeit geometrischer Formen auseinander und beginnt sie nach und nach aufzulösen. Der geschlossene Körper wird geöffnet und bewegt sich immer weiter in den Raum hinein, ergreift den Raum und erzeugt somit eine äußerste Dynamik und Spannung zwischen Objekt, dem Umfeld, wie auch dem Betrachter. Die starke Auflösung und Bewegung des filigranen Metalls steht dabei im Kontrast zu der zweiten Komponente des häufig verwendeten Steins. Komplexität und Geschlossenheit stehen Informell und Gelöstheit gegenüber. Die von Sibylle Burrer gewählten Titel der Werke wie „tanzen“ oder „Wirbelsäule“ unterstreichen dabei gleichsam die hohe Bedeutung der Bewegtheit. Zwar geht die Künstlerin weitgehend ohne Vorzeichnungen an ihre Skulpturen, aber wie in einer parallelen Auseinandersetzung, einer Weiterentwicklung entstehen Bleistiftzeichnungen als weitere Werkkomponente. Wiederum sind es die Ansätze von Raum und Dynamik, die hier im Spiel von Licht und Schatten verarbeitet werden. Darüber hinaus stellt sich dem Betrachter die Frage der Perspektive, er wird eingebunden in den Raum und den Kontrast der korrespondierenden Ebenen. Räumlichkeit in der Frage des Oben und Unten, der Nähe und der Distanz.
Die Ausstellung ist bis zum 7. Mai 2017 zu sehen.
Simone Maria Dietz M.A.